INTERESSANTES / FÜR KOLLEGEN
Innung Aktuell Rot&Weiss 1-2013
DER BLICK FÜR DAS WESENTLICHE
Muss man jeden plumpen Anwurf kommentieren? Nicht grundsätzlich. Eigentlich sollte man es vermeiden, sich sinnlos aufzuregen. Dank unserer standespolitischen Arbeit und dem stetigen – nennen wir es Dialog – mit der Zahnärztekammer, haben wir in der Bundesinnung der Zahntechniker, was das angeht, mittlerweile eine dicke Haut. Wenn aber unser ganzer Berufsstand angepatzt wird und sich reihenweise aufgebrachte Kollegen bei mir melden, dann braucht es ein paar klärende Worte.
Wieder einmal geht es um einen Artikel in der Österreichischen Zahnärzte Zeitung. Wieder einmal stellt darin ein Vertreter der Zahnärztekammer einen Sachverhalt aus dem Blickwinkel der Kammer dar. Wohin so etwas führt, war an dieser Stelle mehrfach zu lesen: Am Ende bleibt wenig Sachliches, dafür ganz schön viel Blickwinkel über.
Vergangenen Herbst hat der Oberste Gerichtshof in einem Prozess zwischen einem Tiroler Zahntechnikermeister und der Zahnärztekammer zu deren Gunsten geurteilt. Es ging vor allem darum, ob Zahntechniker ohne Auftrag eines Zahnarztes und ohne vorangehende zahnmedizinische Untersuchung selbstständig an Patienten arbeiten dürfen. Dürfen sie nicht, so das wenig überraschende Urteil.
Damit gehen auch die Kollegen Landesinnungsmeister und ich konform. Wir wollten immer, dass Zahntechnikermeister ausschließlich im Auftrag eines Zahnarztes an Patienten arbeiten dürfen. Alles wäre nicht weiter der Rede wert, hätte Dr. Jörg Krainhöfner, Amtsdirektor der Zahnärztekammer, das Urteil in einem Artikel in der ÖZZ (Ausgabe 11/2012) nicht zu einer Grundsatzentscheidung aufgebauscht und seine juristische Fachsicht mit einer Reihe falscher Behauptungen untermauert.
Das fängt damit an, dass Krainhöfner behauptet, der beklagte Zahntechnikermeister habe sich ab dem Berufungsverfahren von einem Anwalt, welchen die Bundesinnung der Zahntechniker bereits mehrfach beauftragt hat, vertreten lassen. Das ist schlichtweg unwahr. Mit besagtem Juristen hatten wir noch nie zu tun. Da in diesem Fall die Voraussetzungen (keine Untersuchung und kein Auftrag des Zahnarztes), die wir für die Arbeit an Patienten für unumgänglich halten, nicht gegeben waren, haben wir es tunlichst vermieden, uns in den Fall einzumischen oder gar einen finanziellen Beitrag zu den Prozesskosten zu leisten. Dass die Zahnärztekammer anderes behauptet, ist wenig überraschend und wäre kein zwingender Grund für eine Richtigstellung gewesen. Dass in der ÖZZ dann aber mehrfach triumphierend vermeldet wird, der OGH habe geurteilt, Zahntechnikermeister seien zahnärztliches Hilfspersonal, ist eine Ungeheuerlichkeit.
Für den Zahnärztekammerpräsidenten DDr.Hannes Westermayer ist das in seinem Jahresrückblick 2012 gar die Jubelmeldung Nummer Eins. Wenn es für die Zahnärztekammer 2012 der größte Erfolg war, ein Gerichtsurteil falsch auszulegen, gratuliere ich herzlich! Auch in Krainhöfners Bericht über das Verfahren kreist alles um die Definition des Wortes „Hilfspersonal“, das im Zahnärztegesetz übrigens kein einziges Mal vorkommt.
Von Personal ist dort nie die Rede. Wenn, dann von Personen. Dr.Krainhöfner und DDr.Westermayer sei an dieser Stelle ans Herz gelegt, sich über diesen gar nicht kleinen semantischen Unterschied im Duden schlau zu machen. Selbstständige Zahntechniker können niemals Personal von Zahnärzten sein. Schon gar nicht sind Zahntechnikermeister deren Hilfspersonal – Hilfspersonen sind wir natürlich ebenfalls nicht. So nebensächlich dieser Exkurs zu Feinheiten der deutschen Sprache auf den ersten Blick erscheinen mag, so sehr veranschaulicht er doch eine gewisse Grundhaltung der Zahnärztekammer (nicht der Zahnärzte!). Bei den Kollegen hat sich das Selbstverständnis hartnäckig festgesetzt, sie seien Dienstherren – ganz generell, allem und jedem gegenüber.
Diese Fehleinschätzung führt bisweilen zu peinlichen Untergriffen. Und die Bundesinnung der Zahntechniker ist dafür bei weitem nicht die einzige Zielscheibe. Da werden schon einmal der Gesundheitsminister oder der Präsident des Hauptverbandes der Versicherungsträger beschimpft und die österreichische Politik pauschal als „Kasperl-Puppentheater“ bezeichnet.
In emotionalen Ausnahmesituationen verliert man oft den Blick für das Wesentliche. Da kommt es vor, dass man nur wahrnimmt, was man wahrnehmen will. Die Vertreter der Zahnärztekammer scheinen ein gröberes Problem damit zu haben, mit Niederlagen umzugehen. Können sie ihre standespolitische Sicht hier und da nicht stur durchsetzen, holen sie beleidigt zu jenseitigen Rundumschlägen aus.
Entsprechend fragwürdig deutet Krainhöfner auch andere Punkte der Urteilsbegründung. Zahntechnikermeister seien für ihre Arbeit nicht haftbar und ergo Hilfspersonal. Selbstverständlich sind wir – auch dem OGH-Urteil gemäß – haftbar. Für unsere Arbeiten nämlich. Diese stellen wir als selbstständig Gewerbetreibende her. Einen anderen Standpunkt haben wir nie vertreten. Dass wir jemals argumentiert hätten, wir seien auch für etwaige medizinische Konsequenzen haftbar, ist unsinnig. Die medizinische Verantwortung und auch das Inkasso sind auch mit der Kompetenzerweiterung bei den Zahnärzten geblieben. Das ist sinnvoll und gut so. Niemals haben wir gefordert, Patienten selbst untersuchen und Diagnosen stellen zu dürfen. Arbeiten am Patienten, so wollten wir es und so wurde es umgesetzt, darf ein Zahntechnikermeister immer nur im Auftrag des behandelnden Zahnarztes. Das alles fasst zusammen, was der OGH meint, wenn er von einer „gewissen ‚Oberaufsicht’ (Anm. Oberaufsicht ist auch im OGH-Urteil unter Anführungszeichen gesetzt)“ eines Zahnarztes spricht. Selbstverständlich sind auch wir für eine solchermaßen definierte Oberaufsicht.
Haltlose Unterstellungen und Anwürfe sind wir mittlerweile gewohnt. Das eigentlich Ärgerliche bei dieser Form der Diskussionsführung ist, dass sie dem Klima zwischen den beiden Berufsgruppen schadet. In der Zahnärztekammer sollte man sich ernsthaft überlegen, ob so eine Kommunikationsstrategie im Sinne der Zahnärzte, welche die Kammer ja streng genommen vertreten sollte, ist. Diejenigen, mit denen Zahnärzte täglich eng zusammenarbeiten, derart überheblich als Hilfspersonal abzutun, ist letztklassig. Das kann sich kein Zahnarzt von seiner Kammer wünschen.
Richard Koffu